Wichtige Gerichtsurteile zur Grundlagenarbeit aller Interessenvertretungen in Betrieben und Öffentlichen Verwaltungen.

Arbeitsgerichte

Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 10.12.2008, Az. 4 Ca 319/08
Entscheidung für ein Betriebliches Eingliederungsmanagement. Was tun bei Mitarbeitern, die laufend kurzkrank sind?
Die Rechtsprechung auch in diesen Fällen strenge Anforderungen an eine ordentliche Kündigung.
§ 84 Abs. 2 SGB X setze ein "aktives" Bemühen des Arbeitgebers voraus,
so z.B., dass unter Einbeziehung des Arbeitnehmers und ggs. eines Betriebs- oder Werksarztes vor Ausspruch einer Kündigung geklärt werden müsse, wie die Arbeitsfähigkeit möglichst überwunden werden kann und mit welchen Hilfen oder Leistungen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die Kündigung verstoße daher hier gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
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Bundesarbeitsgerichte

BAG, Urteil vom 9.6.2011, 2 AZR 703/09
Sonderkündigungsschutz nach SGB IX für schwerbehinderte Menschen
Ist ein Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt bereits als schwerbehinderter Mensch nach SGB IX § 2 anerkannt, steht ihm der Kündigungsschutz gemäß SGB IX nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder dem Anerkennungsantrag nichts wusste. Hat der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung, hat der Arbeitnehmer die Obliegenheit, den Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist (in der Regel drei Wochen) auf den besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen. Informiert der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vor Zugang der Kündigung über die Antragsstellung beim Versorgungsamt (Amt für Soziales und Familie), ist der Arbeitgeber ausreichend in die Lage versetzt, zumindest vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt gemäß SGB IX § 85 zu beantragen. Weitergehender Informationen durch den Arbeitnehmer bedarf es nicht. Insbesondere ist er nicht verpflichtet, das Datum der Antragsstellung mitzuteilen oder seine Schwerbehinderung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch Vorlage des Feststellungsbescheids nachzuweisen.
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BAG, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6. September 2010 - 4 Sa 18/10 -
Arbeitgeber müssen Besetzung freier Stellen mit Schwerbehinderten prüfen
Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht immer und für alle Arbeitgeber und unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, so stellt dies ein Indiz dafür dar, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil er seine Förderungspflichten unbeachtet gelassen hatte. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob sie freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen können. Um auch arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen, müssen sie frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. Diese in § 81 Abs. 1 SGB IX geregelte gesetzliche Pflicht trifft alle Arbeitgeber, nicht nur die des öffentlichen Dienstes. Ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber kann sich darauf berufen, dass die Verletzung dieser Pflicht seine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lasse.
Der mit einem Grad von 60 schwerbehinderte Kläger hat eine kaufmännische Berufsausbildung, ein Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaft und die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst absolviert. Er bewarb sich bei der beklagten Gemeinde auf deren ausgeschriebene Stelle für eine Mutterschaftsvertretung in den Bereichen Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt. Die Beklagte besetzte die Stelle anderweitig, ohne zuvor zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann oder diesbezüglich Kontakt zur Agentur für Arbeit aufgenommen zu haben. Der Kläger verlangte daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), da er sich wegen seiner Behinderung benachteiligt sah.
Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, war die Revision des Klägers vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Grundsatz erfolgreich. Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht immer und für alle Arbeitgeber und unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, so stellt dies ein Indiz dafür dar, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil er seine Förderungspflichten unbeachtet gelassen hatte. Da vorliegend der Arbeitgeber die Vermutung einer solchen Benachteiligung nicht widerlegen konnte, war die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, das noch über die Höhe der dem Kläger zustehenden Entschädigung zu entscheiden haben wird.
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Urteil vom 13. Oktober 2011- 8 AZR 608/10 -
Arbeitgeber müssen Besetzung freier Stellen mit Schwerbehinderten prüfen Die Prüfpflicht zur Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier Stellen besteht immer und für alle Arbeitgeber und unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, so stellt dies ein Indiz dafür dar, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil er seine Förderungspflichten unbeachtet gelassen hatte.
http://www.schwbv.de/urteile/203.html
http://www.talentplus.de/institutionen-ansprechpartner/Neues-fuer-Institutionen/Urteile/BEM/index.html

Bundesarbeitsgericht

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. März 2011 – 2 AZR 170/10
Krankheitsbedingte Kündigung und betriebliches Eingliederungsmanagement Leitsatz: Zu den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gehört, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist.
http://lexetius.com/2011,1998

Bundessozialgericht

Die stufenweise Wiedereingliederung durch die gesetzliche Rentenversicherung BSG Urteil vom 05.02.2009, B 13 R 27/08 Die Autorin bespricht eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zu den Fragen der stufenweisen Wiedereingliederung durch die gesetzliche Rentenversicherung und zeigt auf, dass diese, im Hinblick auf das Ziel einer Vermeidung bzw. Überwindung krankheitsbedingter Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit, unabhängig vom Vorliegen einer Rentengewährung ist.
http://www.reha-recht.de/index.php?id=89&tx_ttnews[tt_news]=253&cHash=10267641bea392e3acd8f16ce27f56e7

Landesarbeitsgerichte

Landesarbeitsgericht Hamm, vom 04.07.2011 - 8 Sa 726/11
Leitsätze:
Zu den gebotenen Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gehört auch die Durchführung einer ärztlich empfohlenen stufenweisen Wiedereingliederung. Die frühere Auffassung, dem Arbeitgeber stehe die Entscheidung hierüber frei, ist nach Einführung der Regelung über die betriebliche Prävention im SGB IX überholt. Im Weigerungsfall kommen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers in Betracht.
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LAG Hamm, Beschluss vom 21.01.2011, Az: 13 TaBV 72/10
Kündigung der SBV - Die außerordentliche Kündigung des Mitglieds einer Schwerbehindertenvertretung bedarf laut LAG Hamm der Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung und nicht der des Betriebsrates. Es um eine Frau (GdB von 50), die als Helferin in einem Seniorenzentrum arbeitete. Sie war als Vertrauensperson Mitglied in der Schwerbehindertenvertretung und gehörte zusätzlich dem Betriebsrat an. Nachdem Sie in den Verdacht geraten war, Waren auf Kosten einer Bewohnerin für ihren eigenen Gebrauch beschafft zu haben, beantragte der Arbeitgeber beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung, die erteilt wurde. Ebenso beantragte er beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung, was dieser aber verweigerte. Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht, woraufhin Betriebsrat und Arbeitnehmerin Beschwerde einlegten.
Das LAG gab der Beschwerde statt - hier müsse anstatt des Betriebsrats die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden. Diese sei als eigenständige Repräsentantin der schwerbehinderten Menschen in ihrer amtlichen Funktion unmittelbar in ihrer Zusammensetzung betroffen. Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, namentlich was den Kündigungsschutz angeht, wie Mitglieder des Betriebs- oder Personalrates. Wenn solchen außerordentlich gekündigt werden soll, müsse auch das Gremium, dem sie angehören, die Zustimmung erteilen. Dafür spreche entscheidend auch der Sinn und Zweck des im BetrVG aufgestellten Zustimmungserfordernisses bei einer außerordentlichen Kündigung. Neben dem Schutz des jeweils betroffenen Amtsträgers soll verhindert werden, dass ein demokratisch gewähltes Gremium durch den Verlust einzelner Mitglieder in seiner Funktionsfähigkeit und in der Kontinuität der Amtsführung beeinträchtigt wird. Dieses Ziel ist nach Auffassung des LAG nur dann (effektiv) zu erreichen, wenn das jeweils betroffene Gremium selbst über die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung entscheidet, hier also die Schwerbehindertenvertretung
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Die Freistellung von Vertrauenspersonen zur Schulungsteilnahme - Urteil des LAG Frankfurt; B. v. 14.01.2010 - 9 TaBVGa 229/09. Forum B - 9/2010 Herausgearbeitet wird hier, dass ein Anspruch auf Teilnahme an einer Schulung für eine Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen nicht nur dann besteht, wenn die Schulung sich ausschließlich auf Fragen des Schwerbehindertenrechtes bezieht, sondern auch die Teilnahme an Schulungen mit anderen Themen gerechtfertigt ist, sofern dies zur Erfüllung der Tätigkeit als Vertrauensperson erforderlich ist.
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Bundesverfassungsgericht

Bundesverfassungsgericht - Beschluss vom 11. Januar 2011 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 Kürzung der Erwerbsminderungsrenten auch bei Rentenbeginn vor dem 60. Lebensjahr verfassungsgemäß
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg11-017.html